Aktuelle Entwicklungen im Holzbau sind so spannend wie nie zuvor und versetzen uns in die Atmosphäre eines Science-Fiction-Films. Digitale Werkzeuge erhalten Einzug in die Industrie und verändern Planung und Produktion auf verblüffende Art und Weise.
Computergestützte Konstruktions-Tools beziehen Materialeigenschaften und Herstellungsparameter von Beginn an ein; Architekten, Bauingenieure, Holzbauer und Roboterhersteller arbeiten interdisziplinär und fertigungsorientiert. Zum einen können per Knopfdruck hunderte Bauteile - in ihrer Form jeweils unterschiedlich, hoch präzise und komplex ausgebildet - aus dem digitalen Modell direkt auf die Maschine exportiert werden. Zum anderen ermöglichen die neuen Technologien die Entwicklung noch nie dagewesener Fertigungsmethoden und Konstruktionsarten.
Während vollautomatisch agierende Maschinen wie moderne CNC-Abbundanlagen in größeren Holzbaubetrieben mittlerweile zur Grundausstattung gehören, kommen nun vermehrt flexiblere und vielfältig einsetzbare Maschinen wie beispielsweise Knickarmroboter zum Einsatz.
Geschickt eingefädelt
Welches Potential die neuen Technologien und Arbeitsmethoden in sich tragen, zeigt ein an der Universität Stuttgart entwickeltes Konstruktionssystem mit interessanter Verbindungstechnik: dem Nähen von Holz. Ideenlieferant war der „Sanddollar“, ein Seeigel, dessen doppellagige Schale aus polygonalen Platten besteht, die an den Rändern neben ineinander verzahnten Fingerzinken zusätzlich mit Fasern verbunden sind.
Foto: ICD/ITKE University of Stuttgart
„Das Nähen funktioniert wie Presslaminat“, erläutert Architekt Achim Menges vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen. „Der Faserwinkel des selbst hergestellten Furniersperrholzes wird der jeweils nachfolgenden Form entsprechend eingestellt. Durch eine speziell entwickelte Nadel werden die Fasern nur auf die Seite gedrückt, nicht beschädigt wie beispielsweise beim Schrauben.“
Jeweils drei 3-7 mm dünne Buchen-Sperrholzplatten werden in unterschiedlichen Krümmungsradien zu ballonförmigen Segmente gebogen und kraftschlüssig vernäht. Führte beim ersten Versuchsbau der Roboter die Elemente durch die Nähmaschine, befindet sich diese nun direkt am Roboter. „Die robotische Anlage hat somit einen größeren Arbeitsraum, wir können viel größere Elemente nähen“.
Das große Ganze
Im industriellen Nähprozess werden zusätzlich textile Streifen mit Ösen an die gezackten Kanten der Segmente genäht. Vor Ort werden diese mittels Hochleistungsgarn von Hand zu einer räumlichen Struktur verschnürt. Auch dieser Prozess sei automatisierbar. „Wir haben kleine Roboter entwickelt, die auf Membranen entlanglaufen oder Wände hochklettern können“, so Menges.
Foto: ICD/ITKE University of Stuttgart
Mensch und Maschine
Dass bis zur tatsächlichen Überführung in die Baupraxis noch einiges geleistet werden muss, ist klar. Das Projektteam rund um Jan Knippers vom Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktivem Entwerfen und Achim Menges hat allerdings bewiesen: Die Wechselwirkung zwischen Material, Maschine, architektonischem Entwurf und Tragwerk führt zu innovativen Holzbauweisen.
„Dabei geht es nicht darum, den Handwerker durch den Roboter, oder den Planer durch automatisierte Verfahren zu ersetzen, sondern wie wir aus dieser Kombination effektivere Baukonstruktionen und interessantere Architektur machen können.“ (juz)
Roboter lernen Holz zu nähen
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Ein Seeigel als Vorbild, ein Roboter als Handwerker und das Nähen von Holz als außergewöhnliche neue Verbindungstechnik: Computerbasiertes Entwerfen, digitale Fertigung und multidisziplinäre Forschungsansätze schaffen konstruktive und räumliche (Holz-)Innovationen.