Tristan Ducou arbeitet seit 2016 als selbstständiger Diplomingenieur in Wien und äußert sich zum Thema Nachhaltigkeit im Architekturstudium.
Welchen Stellenwert bekam nachhaltiges Bauen in Ihrer Ausbildung?
Während meiner Ausbildung wurde nachhaltiges Bauen institutsübergreifend aufgegriffen, das war für mich ein ausschlaggebendes Argument die TU Wien als Studienort zu wählen. In meinem Arbeitsleben wird Nachhaltigkeit aus wirtschaftlichen Gründen zu oft vernachlässigt. Die häufig verwendeten Materialien sind Erdölprodukte (Wärmedämmung, PVC, alle Arten von Folien...) und es ist sehr schwer, Alternativen zu finden und nachhaltige Produkte in bestehende Kreisläufe zu integrieren.
Was müssen die Universitäten/Hochschulen tun, um die Zukunft des Bauens nachhaltiger zu gestalten?
Ich hätte mir mehr fächerübergreifende Lehreinheiten und engere Zusammenarbeit mit Studierenden anderer Fachrichtungen, wie Zimmer:innen, Bauphysiker:innen und Stadtplaner:innen, gewünscht. Generell muss sich unsere Gesellschaft aber fragen: Sind wir bereit, unseren Lebensstil so zu ändern, dass die Gesamtnachfrage nach Luxus sinkt? Nachhaltiges Bauen resultiert auch aus einer gewissen Sparsamkeit in Bezug auf Ressourcen, Nutzung und Technologie. Auch diese ethischen Fragen sollte man sich in der Ausbildung stellen müssen. Generell muss die Gesellschaft erkennen, dass Nachhaltiges Bauen ein tieferes Umdenken als einfaches adaptieren in das bestehende System bedarf. Für mich ist ein großer Schritt Richtung Nachhaltigkeit das neue Erlernen von Genügsamkeit.
Wie setzen Sie Nachhaltigkeit in Ihrem Arbeitsalltag um?
Schon am Anfang der Planungsphase sind folgende Punkte bezüglich klimafreundlichen Bauens zu beachten – Ausrichtung, Belichtung, Querlüftung. Ebenso darf die Anpassungsfähigkeit des Gebäudes nicht außer Acht gelassen werden: Das Gebäude soll mehrere Generationen überdauern und das erfordert hochwertige Materialien und anspruchsvolle Architektur. Die Zusammenarbeit mit Menschen aus den wichtigen Fachbereichen ist für nachhaltiges Bauen ebenso notwendig: Bauingenieur:innen und Handwerker:innen. Zusammen können die effizientesten Lösungen entwickelt werden, damit wir beim Bauen nutzbringend arbeiten können.
Das Jungtalent Ducou absolvierte sein Studium an der ENSA Marseille und der Technischen Universität Wien. Foto © Valerie Eccli
Die Forschung der Zukunft
Besonders in der Forschung kann die Baubranche Erkenntnisse gewinnen, wie zukünftig nachhaltiger gewirtschaftet werden kann. Clara Jaschke schloss 2018 ihr Studium an der Bartlett School of Architecture in London ab und arbeitet seither als Architektin, Lektorin und Researcherin an der LFU Innsbruck sowie der UCL London. Sie gibt ihren Einblick in das Thema Nachhaltigkeit in der Architekturausbildung.
Welchen Stellenwert bekam nachhaltiges Bauen in Ihrer Ausbildung?
Ich denke, dass „Nachhaltigkeit“ ein vielschichtiger Begriff ist. Einerseits Nachhaltigkeit im Sinne von Umwelt und Materialität, andererseits Nachhaltigkeit im Sinne der Adaptabilität von architektonischen Strukturen. Meines Erachtens müssen beide Faktoren in Betracht gezogen werden. In diesem Sinne kann ich aus meiner eigenen Ausbildung, und meiner Arbeit als Lektorin sagen, dass Nachhaltigkeit kein dezidiertes Fach war/ist, sondern je nach Prioritäten der individuellen Lehrenden gelehrt wurde. Persönlich hätte ich mir mehr Fokus auf die Potenziale digitaler Technologien für eine nachhaltigere gebaute Umwelt gewünscht.
Was müssen die Universitäten/Hochschulen tun, um die Zukunft des Bauens nachhaltiger zu gestalten?
Es wäre mein Anliegen, dass Hochschulen Nachhaltigkeit weiter fassen, diskutieren und gegenwärtige Prozesse infrage stellen. Ich wünsche mir, dass Studierende ermutigt werden, sozio-ökonomische Positionen zu entwickeln, denn Architektur besteht in einem Spannungsfeld aus gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Aspekten. Ein weiterer Faktor ist die Nutzung von digitalen Technologien, die uns im Streben nach Nachhaltigkeit unterstützen können. Automatisierung und digitale Technologien in der Architektur und dem Bausektor können den Menschen ergänzen. Diese Themen müssen zukünftig mehr Platz im Lehrplan einnehmen.
Wie setzen Sie Nachhaltigkeit in Ihrem Arbeitsalltag um?
Nachhaltigkeit stellt für mich im ökologischen, wie auch im sozio-ökonomischen Sinne immer einen zentralen Punkt bei meiner Arbeit dar. Durch meine Lehrposition in Programmen wie dem Master ‚Design for Manufacture‘ bin ich laufend mit neuen Entwicklungen und Technologien in Kontakt und kann diese auch an den Nachwuchs weitergeben. Auch als Projektmitarbeiterin, bei dem FWF geförderten Projekt Postdigital Neobaroque, habe ich die Möglichkeit an der Zukunft unserer Disziplin mitzuforschen. Ebenfalls war ich bis letzten Herbst Teil von Automated Architecture (AUAR), einem Unternehmen, dessen Fokus sowohl ökologische als auch sozio-ökonomische Nachhaltigkeit ist – Stichwort: circular life cycle. Durch den Einsatz von Automatisierung und Holz als Hauptmaterial, entwickelt AUAR versatile, modulare Bausysteme, welche darauf ausgelegt sind durch ihre Nutzer:innen je nach Lebensumständen adaptierbar zu sein. Die modularen Bauteile können auch wiederverwendet und lokal produziert werden.
"Nachhaltigkeit muss für mich weiter gefasste werden und sozio-ökonomische Fragen beantworten, wie leistbaren Wohnraum. Speziell im europäischen Kontext ist das ein prekäres Thema, welches größere Antworten als Subventionen und ähnliche Maßnahmen benötigen wird." Clara Jaschke