Megatrends sind langfristige Strömungen, die neue Bedürfnisse, veränderte Gewohnheiten und globale Geschehnisse beschreiben. Die Zukunftsforschung versucht von ihnen abzuleiten, welche Trends das Leben in Zukunft bestimmen werden. Zukunftsforscherin und Wohnexpertin Oona Horx-Strathern, die sich mit Trends im Bauen und Wohnen befasst, sieht in der Pandemie ein „Korrektiv für Städte, die nicht mehr lebenswert waren“. Zum ersten Mal sei den Menschen bewusst geworden, wie sie Städte wahrnehmen, wenn die Autos stillstanden und die sogenannten Third Places geschlossen waren. Wie es sich anfühlte, wenn man ausschließlich den öffentlichen Freiraum zum Aufenthalt und zur Erholung nutzen konnte. „Öffentliche, für jeden Menschen zugängliche Räume in der Stadt waren nicht mehr nur ‚nice to have’, sondern wurden zu einem Grundbedürfnis für unsere Gemeinschaft“, schreibt sie einleitend im HomeReport 2021, in dem sie die zukünftigen Veränderungen am Gebäude und im eigenen Zuhause zu beschreiben versucht.
Blick ins Private: New Work, Konnektivität, Neo-Biedermeier
Veränderung im Privaten passiert rasant: Fühlt man sich daheim nicht mehr richtig wohl, wird rasch gehandelt. In der Coronakrise musste das Zuhause plötzlich mehr bieten als je zuvor, wochenlang in die eigenen vier Wände gesperrt – kein Wunder, dass nach dem ersten Lockdown in Österreich vor allem die Baumärkte und Möbelhersteller überrannt wurden. Die Megatrends Sicherheit und New Work prägen laut HomeReport und Wohntrendmap das sogenannte Neo-Biedermeier. Damit prognostiziert er dem Jahr 2021 einen Fokus auf „praktikable und luxuriöse Häuslichkeit“: Möbelhersteller, Baumärkte und Einrichtungshäuser reagierten rasch und profitierten von diesen neuen Bedürfnisse im Zuhause. New Work bedeutet nicht ausschließlich die Konnektivität im Internet, sondern sei auch als eine „Symbiose zwischen Arbeit und Leben“ zu verstehen. Eine Verbindung der vielen Aufgaben, die Menschen im eigenen Zuhause eben so zu erledigen haben, wenn es kein externes Büro gibt. Räume zu schaffen, die diesen Anforderungen gerecht werden, sei die große Planungsaufgabe dieser Zeit.
Bauen morgen: Glokal, resilient, neo-ökologisch
Der Gegentrend zur Globalisierung ist das Besinnen auf das Lokale, das Einkaufen in der Region, die Förderung heimischer Firmen: Glokalisierung. Die Menschen fragen verstärkt regionale Produkte nach – von der Buttersemmel bis zum Baumaterial. Das fördert nicht nur die regionale Wertschöpfung, sondern schafft auch mehr Resilienz, also die Fähigkeit einer Gesellschaft in Krisenzeiten auf Unerwartetes zu reagieren und die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Damit einher geht ein Fokus auf Neo-Ökologie, denn das Regionale bringt auch kürzere Wege und eine nachhaltigere Gewinnung von Ressourcen mit sich. Zusätzlich schreibt die Autorin dem modularen Bauen eine große Zukunft zu – sie gelte als schnell, kostengünstig und umweltfreundlich. In der Materialwahl spielen Kreislaufwirtschaft, Rückbaubarkeit und Umweltverträglichkeit eine große Rolle, sie sind die Treiber einer längst überfälligen Entwicklung hin zur Ökologisierung der vom Menschen gemachten Umwelt. Denn auch dieser historische Tag fiel noch ins Jahr 2020: Am 10. Dezember des Vorjahres überwog erstmals alles Künstliche die natürliche Biomasse auf dem Planeten Erde. Hinsichtlich dieser Verschiebung wird spätestens jetzt deutlich, dass auch das vom Menschen Geschaffene die erholsamen Eigenschaften des Natürlichen mitbringen muss.
HomeReport 2021
Oona Horx-Strathern, Herausgegeben vom Zukunftsinstitut, 2021.
Das Zukunftsinstitut befasst sich seit seiner Gründung 1998 mit Trend- und Zukunftsforschung.