Wir haben es schon in der Volksschule gelernt: Je mehr Ringe ein Baum in seinem Stamm hat, desto älter ist er auch. Das gehört zu jenem Schulwissen, das wir alle mitgenommen haben, in unserer Hirnrinde abgelegt haben und mit dem wir uns seither nicht weiter auseinandergesetzt haben. Die wenigsten werden auf die Maserung ihres Esstischs schauen und sich fragen: Wie alt war wohl dieser Baum?
Doch auch wenn unser Wissen über Jahresringe in der Regel schon an dieser Stelle aufhört, können sie uns noch viel mehr verraten, als das Alter von Bäumen. Es gibt einen ganzen Forschungszweig, der sich mit diesen Jahresringen auseinandersetzt und sie zum Beispiel dafür nutzt, historische Veränderungen zu beobachten. Dieses Feld nennt sich Dendrochronologie. Dendron, vom Baum. Chronologie sollte selbsterklärend sein.
Dendrochronologie
Grundlegend machen Forschende in der Dendrochronologie dabei nichts Anderes als das, was wir seinerzeit in der Schule gelernt haben. Sie besehen die Jahresringe von Bäumen und bestimmen zunächst deren Alter. Sie hören an dieser Stelle aber nicht auf, sondern gehen ein paar Schritte weiter und vermessen die Ringe ganz genau. Dadurch, wie dick sie sind, können sie herausfinden, wie stark der Baum in dem jeweiligen Jahr gewachsen ist und – als logische Schlussfolgerung – wie viele Nährstoffe und Sonneneinstrahlung er abbekommen hat.
Wozu das gut ist? Forschende können durch die Jahresringe von Bäumen klimatische Veränderungen beobachten. In manchen Fällen sogar über Jahrhunderte hinweg. Unter anderem konnte die Dendrochronologie eine historische These belegen, nach der es während der Herrschaft des oströmischen Kaisers Justinian zu einer extremen Abkühlungsperiode kam. Die ist vermutlich auf mehrere Vulkanausbrüche in der nördlichen Halbkugel zurückzuführen und mitverantwortlich für eine der schlimmsten Pandemien der Geschichte: die justinianische Pest.
Dendroarchäologie
Mithilfe von Jahresringen können auch umfassende Kalender erstellt werden. Der weitreichendste von diesen liegt in Hohenheim und beinhaltet bis zu 12.000 Jahre alte Proben inklusive aller klimatischen Entwicklungen in dieser Zeit. Mit Kalendern wie diesem kann man dann noch einen Schritt weitergehen und der Archäologie unter die Arme greifen.
Dendroarchöologie funktioniert – grob reduziert – folgendermaßen: Man nehme eine Probe oder einen Scan eines sehr alten Stück Holz und gleiche die Jahresringe dann mit den bestehenden Jahresringkalendern ab. Anhand dieser Proben lässt sich dann relativ genau herausfinden, wie alt das Artefakt oder das Bauwerk ist und auch aus welcher Region das Holz stammt. Die Jahresringkalender unterscheiden sich schließlich voneinander, denn die klimatischen Bedingungen sind bekanntermaßen nie überall auf der Erde gleich.
In Österreich und auch in Deutschland gibt es aktuell mehrere Institute, die sich mit der Dendrochronologie beschäftigen. So zum Beispiel das Dendrolab in Trier und die Arbeitsgruppe für Jahrringanalyse und historische Holzverwendung. Sie beweisen mit ihrer Forschung, dass Holz nicht nur zeitlos ist, sondern auch ein Zeitzeuge. (flb)