29.03.2016 – Italiens größter Stromversorger Enel errichtet zwei Kohlenbunker in Holzbauweise. Rubner Holzbau nahm die Herausforderung an und setzte die riesigen Kuppeln im süditalienischen Brindisi um. Von Laura Hannappel
Das Kuppeldach soll sich harmonisch in die Landschaft einfügen. Foto: © Rogers Stirk Harbour + Partners

Die riesigen Holzkuppeln sitzen auf 40 Stahlbetonstützen. Die Abdeckungen aus lackierten Aluminiumschindeln wurden am Boden vormontiert und mit einem Kran auf die Holzkonstruktion gehoben. Bild: Rubner Holzbau, Brixen

Dass Energieerzeugung mit Kohle die Umwelt belastet, ist hinlänglich bekannt. Der Ruf allerdings, eines der schadstoffreichsten Kraftwerke Italiens zu sein und einige Klagen wegen Umweltverschmutzung im Nacken bewegten das Unternehmen zum Einlenken. Die Anlage „Federico II“ im süditalienischen Brindisi sollte auf internationales Best Practice Niveau gebracht werden, um internationale Techniker und Wissenschaftler anzulocken und eine fortschrittliche Entwicklung im Bereich der Stromerzeugung mit Kohle einzuschlagen. Die notwendigen Abdeckungen für die Kohlenbunker in Holzbauweise auszuführen versteht sich als ein logischer Beitrag innerhalb dieses Programms. Stellt man diese Maßnahme den jährlich mit Kohle produzierten 2640 MW gegenüber, erscheint dies zwar wie ein Tropfen auf den heißen Stein, aber Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist. Nicht zuletzt überzeugte die Holzkonstruktion jedoch durch ihr günstiges Brandverhalten im Vergleich zu beispielsweise einer Stahlbauweise. Aber weshalb Kuppeln? „Vorab gaben wir eine Studie in Auftrag, um die optimale Bauweise zu ermitteln. Im Hinblick auf Umfang und verbaute Fläche für die Lagerung von 360.000 t Kohle, leichte Bedienbarkeit der maschinellen Lagerung, Ästhetik und Nachhaltigkeit sowie die Widerstandsfähigkeit der Struktur waren die Kuppeln ungeschlagen“, begründet Luca Pergher, Projektverantwortlicher seitens Enel, die Entscheidung. Noch dazu würden sich die Kuppeln wunderbar in die umgebende hügelige Landschaft integrieren.

Know-How aus Südtirol
Das Südtiroler Unternehmen Rubner Holzbau wurde mit der Planung der Konstruktionsdetails für die gesamte Abdeckung einschließlich der Fluchttreppen und Fluchtstege, des natürlichen Belüftungssystems und der elektrischen Anlage beauftragt und war außerdem verantwortlich für die gesamte Produktion, die Logistik der Transporte und die Montage. Umgesetzt wurden zwei geodätische Kuppeln, deren enorme Größe mit einem Durchmesser von jeweils 144 m und einer Höhe von knapp 40 m selbst für das routinierte Holzbau-Team – zu Spitzenzeiten bestand es aus 30 Monteuren, 15 Spenglern und drei Koordinatoren – einige Herausforderungen ­bereit hielt. Das verarbeitete Holz wurde dabei ausschließlich aus zertifiziert nachhaltig bewirtschafteten Wäldern bezogen.

Mischbauweise
Die Brettschichtholz-Kuppel lagert auf vierzig 6,2 m hohen Stahlbeton Stützen auf. Die Holzkonstruktion ist über einen Zug-Ring aus Stahl mit den Stahlbetonstützen verbunden, um die horizontalen Lasten auf die Unter­konstruktionen zu begrenzen. Für die Verbindung der Hauptträger wurden eigene Knotenverbindungen aus Stahl entwickelt und patentiert. Oswald Grömminger, verantwortlicher Projektleiter von Rubner, erklärt den Material-Mix wie folgt: „Eine Mischbauweise ist die technisch-wirtschaftlich sinnvollste Lösung. Stahlbeton als Baustoff für die Stützen mit ihrer besonders hohen Beanspruchung, Brettschichtholz für die Kuppelkonstruktion, die vornehmlich Druckbeanspruchung aufweist und Stahl für die Verbindung der Kuppelstäbe sowie den Zug-Ring, um diesen möglichst schlank zu halten.“


Im Kuppelinneren ist die Brettschicht­holzkonstruktion sichtbar belassen. Der kreisförmige Grundriss ermöglicht eine effiziente Lagerung der Kohle. Bild: Rubner Holzbau, Brixen

Geometrie
Jede Kuppel hat fünf Hauptachsen, die sie in ebenso vielen gleichen Sektoren begrenzen. Die Hauptträger ­befinden sich in einer geraden Achse und bilden eine Reihe an flachen Dreiecken. ­Jede Kuppel hat eine Öffnung für die ­Passage des Transportbandes. Diese ­„Unbeständigkeit" in der Struktur der Kuppel wurde durch die Realisierung einer in Stahl eingefassten Konstruktion überwunden. Die Länge der Hauptträger variiert von 5,4 bis 13,8 m. Sie sind 113 cm hoch, jedoch variieren ihre Stärken und Festigkeitsklassen entsprechend der Lasten, denen sie ausgesetzt sind. An dem First der Kuppel ist ein fünfeckiger Turm vorgesehen, in dessen Wände die Lüftungsgitter untergebracht werden können, zusätzlich zu ­denen, die in den Wänden zwischen den Stützen vorgesehen sind.

Montage
Für die Montage wurde die Technik des progressiven Vorschubs vorgesehen, dementsprechend wurden die Anschlussknotenpunkte an die Bauteile aus Stahlbeton geplant und dimensioniert, um die Lasten zu tragen, die durch das Bauen entstehen. Diese Montageart wird im Inneren der Kuppel mithilfe von Kränen und Hebebühnen ausgeführt. Nach der Positionierung der Träger auf den entsprechenden Stützen wurden sie mithilfe von Gewindebolzen an den Verbindungsplatten angebracht. Das so abgeschlossene und von der Stabilisierungsstütze befreite System ist an den Köpfen der Streben fixiert und bleibt ohne weitere Arbeiten im Gleichgewicht.

Man wächst mit den Aufgaben Oswald Grömminger resümiert zufrieden: „Der Freivorbau der Hauptträger der Kuppel war für uns Neuland, aber wir haben ihn nach anfänglichen Problemen letztlich souverän bewältigt, dank des hochgenauen Abbunds der Bauteile mittels CNC-Maschine. Aber auch die Vorfertigung der bis zu ca. 87 m2 großen dreieckigen Dacheindeckungselemente ­bestehend aus Pfetten, BSP-Platten und Schindeleindeckung und deren Einheben in das Haupttragwerk konnten dank ­unserer diesbezüglichen Erfahrungen und einer sorgfältigen Vorausplanung der verschiedenen Abläufe für die Baustelle sehr gut abgewickelt werden.“ Und auch Luca Pergher betont, bei Enel sei ­eine große Portion Stolz mitgeschwungen, an der Entwicklung der ­europaweit größten ­Holzkuppeln be­teiligt gewesen zu sein. Wenn jetzt noch die Stromerzeugung selbst nachhaltig wäre.
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