Von wegen Berg-Dolme. Ein Tiroler Architekten-Duo zeigt vor, wie Natur, Technik & Ästhetik symbiotisch zusammenwachsen können. Von Lukas Pawek
Nur wenige Gebäude haben sich im Laufe der Zeit so sehr gewandelt wie der deutsche Reichstag. Foto: Metsä


Bei Bauprojekten herrscht oft noch der (altmodische) Trugschluss vor: Möchten Sie ein schönes oder ökologisches Haus? Das wollten die beiden Architekten, Veronika Hackl-Pedrini und Robin Peer vom Architekturbüro „freiraum_architektur“ so nicht hinnehmen und entwickelten ein Wohnprojekt für fünf Familien im Tiroler Gnadenwald. Ziel war die Komposition von vier energie-autarken Massivholzhäusern, die im Stil ein vierblättriges Kleeblatt darstellen, was dem Objekt den Spitznamen „Vierklee“ verlieh. Die geschwungene, organisch anmutende, Form sollte sowohl im Innen- als auch im Außenbereich sichtbar sein. Technik und Autos passten daher nicht ins Gesamtbild, sollten deshalb unterirdisch „verschwinden“ und durch einen Begegnungsraum der NachbarInnen ersetzt werden. Für den Bauträger „JKR Immobilien“ war als Draufgabe zur Nachhaltigkeit auch noch eine hohe Raumqualität eine der zentralen Anforderungen an das Projekt. Allein die dafür notwendige runde Fassade im Holzbau zu errichten, war ein ambitioniertes Unterfangen. Mit den Firmen „Unterrainer Holzbau“ und „Schafferer Holzbau“ wurden jedoch Partner gefunden, die ein Verfahren kontrollieren, um Massivholz dauerhaft in diesen geringen Radien von 1,5 m in Sichtqualität gebogen zu formen. Diese Technik ermöglichte jene einzigartige Fassade in Massivholzausführung, eingepackt in hinterlüftete Lärchenschindeln. Das Projekt fügt sich dadurch optimal in die alpine Umgebung ein. Die Bewegung der Natur und des Geländes wird sowohl in der Gestaltung des Außenraumes, als auch in der Formgebung der sich sanft windenden Holzhäuser aufgenommen und lässt so die Landschaft nahtlos einfließen.



Soziale Akzeptanz als Maßstab
Die Tageslicht-beleuchtete zentrale Garage mit direktem Zugang zu den einzelnen Häusern dient, ebenso wie der darüberliegende Freiraum, als Ort der Begegnung. Dass die fünf Wohneinheiten, fernab urbaner Zentren und ohne Werbemaßnahmen innerhalb kürzester Zeit vergriffen waren, ist wohl die beste Bestätigung der Maßnahmen – und der Traum eines jeden Bauträgers. Ein weiterer Grund für diesen Andrang dürfte die hohe Wohn-Behaglichkeit darstellen. In jedem Raum gibt es im Innenbereich mindestens eine ­geschwungene Außenwand. Trotzdem war der Bauträgerin wichtig, dass hohe Kosten für  maßangefertigte Möbel diese „Romantik“ nicht trüben. Die Innenwände wurden daher allesamt geradlinig gestaltet, sodass „überall Standard-Möbel aufgestellt werden können“, wie die Architektin stolz das durchdachte Konzept erläutert. Es ergibt sich daraus ein eigenes Raumgefühl, verstärkt durch das allerorts präsente Holz. Auch der öffentliche Raum wurde heimelig realisiert. Samt Steinmauern und fertigem Rollrasen. Kein Wunder also, dass die BewohnerInnen gleich nach dem Einzug gemeinsame Feste veranstalteten. Abgerundet wurde das familienfreundliche Konzept durch eine überschaubare Miete und Heizungs- samt Warmwasserkosten von 350 € jährlich.



Fast schon kitschig
Der Ausblick von jedem der vier auf ca. 900 Meter gelegenen „Kleeblätter“ kann vorsichtig mit „mind-blowing“ umschrieben werden. Eingebettet mitten ins Berg-Panorama. Der Blick erstreckt sich auf das gesamte Inntal, vom „Kellerjoch“ bis zum „Hoadl“ können diverse „Gipfel-Finder“-Apps auf ihre Praxistauglichkeit getestet werden – direkt aus den süd-orientierten Wohn­räumen.

100 % Erneuerbare Energie
Auch wenn das Objekt knapp am Passivhaus-Standard vorbeischrammt, ist es doch beispielgebend. Die gesamte benötigte Energie wird mit Ökoenergien „produziert“. Für die Warmwasser- und Heiz­energie kommen solarthermische Kollektoren und eine Erdwärmepumpe mit Tiefenbohrung zum Einsatz. Den elektrischen Bedarf für die gesamte Technik und die Wärmeerzeuger liefert eine großzügig dimensionierte Photovoltaik-Anlage, die sogar Überschüsse im Ausmaß einer Großfamilie produziert.

Fazit
Die beiden Architekten legen die Messlatte für künftige Holzbauten hoch. Fast unvorstellbar ist es, dass Ästhetik, Nachhaltigkeit, soziale Faktoren und ein nie dagewesenes Maß an Wohnbehaglichkeit in einem Objekt realisiert werden konnten. Und dass zu leistbaren Mietpreisen. Ob sich die Baukosten jemals amortisieren, darf hinterfragt werden. Umso erfreulicher, dass es Bauträger gibt, denen die Ökologie wichtiger als die unmittelbare Ökonomie ist. Glück hat das „Kleeblatt“ jedenfalls schon gebracht: Zuerst gab’s den klima-aktiv Gold-Standard als Dankeschön. Und kürzlich ist es zum Objekt des Monats gewählt worden. Wir sind uns sicher: Das werden nicht die letzten Auszeichnungen bleiben. 

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